Man könnte meinen, dass Fotoalben eine antiquierte Buchform sind, die in der heutigen Zeit niemand mehr gestalten möchte. In einer Welt von digitalen Bildern und sozialen Medien scheint das klassische Fotoalbum zunächst überholt.
Fotos werden in ein Einsteckalbum oder in ein Fotobuch gesteckt, was schneller geht, als sie einzeln in ein selbst gebundenes Fotoalbum zu kleben. Doch gerade diese persönliche Note und die Handarbeit machen den besonderen Charme eines selbst gestalteten Albums aus.
Trotzdem wurde ich bis jetzt häufig nach der Anleitung für ein klassisches Fotoalbum gefragt. Ebenso wie nach den Alternativen mit Buchschrauben oder anderen Einzelblatt-Bindung-Techniken. Der Wunsch nach einem hochwertigen, individuellen Album ist ungebrochen.
Ob nun als Babyalbum, Hochzeitsalbum oder einfach für die Urlaubsfotos – bei einem Fotoalbum im Vintage-Stil gibt es ein paar Besonderheiten im Vergleich zu einem normalen Buch mit einer Fadenheftung.
Im Vergleich zu einem normalen Buch hat ein Fotoalbum Seiten aus Karton. Es gibt speziellen Fotokarton, der holzfrei, säurefrei und alterungsbeständig ist. Tonkarton mit einem Flächengewicht von 300–400 g/m² ist aber genauso gut geeignet.
Die festeren Seiten verhindern, dass die Seiten aus Versehen knicken und die Fotos beschädigt werden. Die Bilder lassen sich vollflächig auch mit flüssigem Klebstoff aufkleben, ohne dass der Karton wellt und verhindert das Durchbluten von Tinten auf die Rückseite, wenn die Seite um das Foto gestaltet werden soll.
Klassische Fotoalben sind meist großformatig, teils weit über das vertraute DIN A4-Format hinaus. Das größte Buch, das ich je in der Hand hatte, war 40 × 35 cm groß. Das Endformat ist quadratisch oder querformatig; das sind beim Buchbinden besondere Formate, die nicht häufig Anwendung finden. In dieser Hinsicht ähneln sie heutigen Bildbänden, für die wahrscheinlich das Aussehen der Alben übernommen wurde.
Für die heimische Buchbinderei sind die Seitenformate mit 25 × 25 cm oder 30 × 30 cm beliebt. Groß genug, um Raum für Fotos und dekorative Elemente zu bieten, aber nicht zu groß für übliche Werkzeuge, wie Pressen oder Hebelschneider.
Natürlich ist es im Prinzip egal, wie groß das Album ist. Du kannst das Buch in jedem Format binden, das du haben möchtest.
Ein schönes Mindestformat für ein Fotoalbum sind demnach 21 × 16 cm, wenn die Fotos im Querformat gemacht wurden. Das ist ein wenig größer als DIN A5.
Fotoabzüge haben meist mindestens ein Format von 9 × 13 cm (9er-Format), üblich ist das 10 × 15 cm (10er-Format).
Damit die Fotos nicht bis zum Rand gehen, ist ein Rahmen um das Foto optisch schön; 2–3 cm in jeder Richtung sind angemessen. Technisch spricht allerdings nichts dagegen, die Seiten collagenartig zu gestalten. Die eingeklebten Bilder können bis zum Rand gehen oder sich überlagern.
Zudem ist es grundsätzlich egal, ob du erst das Album bindest und dann die Seiten gestaltest. In diesem Fall kannst du dich an groben Ideen und deinen technischen Möglichkeiten orientieren.
Wenn du alle Bilder schon beisammen hast und sie auf eine bestimmte Weise anordnen möchtest, kannst du dir im Vorhinein überlegen, welche Fotos du wo und wie platzierst. In dem Fall planst du am besten den Platz für Beschriftungen und dekorative Elemente ein. Nichtsdestotrotz limitieren dich unter Umständen die Formate, die du verarbeiten kannst.
Liebst du auch das Rascheln des Schutzpapiers auf den Fotos, wenn du in alten Fotoalben blätterst?
Dieses Papier ist Pergamyn und diente früher zum Schutz vor Zusammenkleben der Fotos. Heute verkleben die Fotos nicht mehr ohne Weiteres, aber für ein Vintage-Gefühl und die richtige Optik sind sie unumgänglich.
Pergamyn-Papier gibt es mit zwei verschiedenen Prägungen. Schlicht und klassisch wirkt die Leinen-Prägung, wo sich ins Papier geprägte Linien kreuzen. Ein bisschen extravagant wirkt das Spinnenpapier, das den Pergamyn-Seiten im Fotoalbum den Namen verleiht. Auf diesem ist die Prägung aus kleinen Spinnennetzen zusammengesetzt.
Das Pergamyn-Papier bietet auch heute noch einen gewissen Schutz vor Staub und mechanischer Belastung. Außerdem verhindert es, dass sich die Fotos beim Aufeinanderliegen der Seiten aneinander reiben.
Besonders wichtig für die Stabilität des Fotoalbums sind Ausgleiche im Bund. Dafür werden Kartonstreifen in die Lagen am Bund geklebt, um die später eingeklebten Fotos schon bei der Heftung zu simulieren.
Beim Einkleben der Fotos tragen diese mit ihrer Materialstärke auf. Schon wenige Fotos sorgen dafür, dass der Buchblock in der Fläche dicker ist als an der Heftung. Eine Heftung (oder gar Verklebung) wird mit Zugkräften über die Maße belastet und früher oder später gesprengt. Die Fadenheftung reißt auf und die Lagen fallen raus.
Die Ausgleiche wirken, als wären schon Fotos eingeklebt, und verdicken das Buch am Bund. Dadurch bekommt es eine charakteristische Keilform, die aber schwindet, je mehr Fotos eingeklebt werden.
Zwar sind Fotos naheliegend, doch letztlich ist egal, was du einklebst, wenn du die Ausgleiche hast. Es können genauso gut Karten oder Prospekte aus deinem letzten Urlaub sein. Oder gesammelte Materialien, wie zum Beispiel für ein Herbarium oder eine Stoff-Mustersammlung. Die Ausgleiche werden auf die entsprechende Dicke der eingefügten Materialien angepasst. Bei einer Fadenheftung gibt es dabei Limitierungen, doch andere Buchformen – wie ich sie weiter unten vorstelle – sind flexibler.
Wie gerade schon ausgeführt, haben Fotoalben gerne große Formate. Diese großen Formate mit langen Seiten setzen eine starke Bindung voraus. Der Buchblock hängt in der Decke, und das eigene Gewicht und das der Fotos zieht die Seiten runter. Das gilt vor allem, wenn das Fotoalbum im Querformat ist. Dadurch wird die Heftung belastet und muss deswegen schon von Anfang an als stabile Fadenheftung konzipiert werden.
Am besten geeignet ist eine Fadenheftung auf flache Bünde, wo durch das Band der Bünde eine extra Klammerwirkung auf den Buchblock ausgeübt wird.
Voraussetzung dafür sind die Ausgleiche, die dafür sorgen, dass die Heftung nicht gesprengt wird.
Fotoalben sind wegen des Formats tendenziell große und schwere Bücher. Eine sorgfältig ausgeführte Heftung ist daher die Basis für ein langlebiges Album. Arbeite hier besonders sorgfältig und plane lieber mehr Bünde ein, um eine stabile Bindung zu produzieren.
Ob du aus deinem Fotoalbum nun einen Ganzband oder Halbband machst, ist ganz dir überlassen.
Bei einem Ganzband wird die Decke aus einem einzigen Material gefertigt, bei einem Halbband überziehst du den Rücken mit Gewebe oder Leder und die Deckel mit einem Papier oder zumindest einer anderen Farbe.
Bei einem Halbband ist der Vorteil, dass du dem Einband eine einfache Gestaltung und Unterteilung geben kannst.
Der Rücken ist mit einem stabilen Material überzogen, das die Belastungen am Falz gut aushält, während die Deckel mit einem andersfarbigen Papier überzogen sind, um sich abzuheben.
Die großen Flächen in nur einer Farbe können schnell eintönig wirken, deswegen kannst du die Ecken mit Gewebe verstärken und sichtbar lassen oder eine Leder- oder Gewebeschiene an der Vorderkante anbringen, um der Decke mehr Form zu verleihen.
Auch aufbauende Elemente wie Auflagen, Intarsien oder Unterlegungen sind eine Möglichkeit, die große Fläche zu füllen.
Wenn das Fotoalbum fertig gestaltet ist und alle Fotos eingeklebt sind, findet es seinen Platz im Regal.
Wie schon gesagt, ist die Belastung auf die Heftung bei dieser Art von Buch enorm und sie wirkt sich am stärksten aus, wenn das Buch im Regal steht. Wie bei dem großen, schweren Buch ist es eine Überlegung wert, das Buch liegend aufzubewahren.
Optimalerweise erhält das Fotoalbum noch eine Buchkassette (bei liegender Verwahrung) oder einen Schuber (wenn das Buch stehen soll).
Eine Kassette ist für ein Fotoalbum einfacher zu konzipieren und zu machen, da die weiteste Stelle des Buches nicht als Grundlage für den Aufbau genutzt wird. Du kannst mehr Luft einplanen und die Kassette in der Dicke größer lassen.
Beim Schuber wird die breiteste Stelle am Rücken als Grundlage für die Dicke des Schubers hergenommen. Deswegen wirst du bei dem Einkleben der Bilder darauf achten müssen, dass der Buchblock nicht dicker wird als der Rücken. Durch die Ausgleiche sollte das nicht passieren, je nachdem wie viele Fotos du einklebst und wie dick sie sind, kann es aber passieren, dass der Buchblock ein wenig aufschnabelt. Dann passt das Buch nicht mehr in den Schuber.
Ein wichtiger Aspekt, der oft übersehen wird, ist die sorgfältige Beschriftung der Fotos. Notiere Datum, Ort und die abgebildeten Personen – diese Informationen sind für spätere Generationen besonders wertvoll. Verwende dafür säurefreie Stifte, die nicht ausbleichen oder durchschlagen.
Auch die kreative Gestaltung der Seiten macht ein Fotoalbum zu etwas Besonderem. Kleine Verzierungen, Randornamente oder thematisch passende Dekorelemente können die Wirkung der Fotos verstärken.
Nun ist das klassische Fotoalbum nicht die einzige Buchform, die sich grundsätzlich dazu eignet zur Aufbewahrung und Präsentation von Fotos zu dienen.
Für kleine Fotostrecken ist der Leporello perfekt. Aufgefaltet kannst du ihn entweder teilweise oder ganz aufstellen und die Fotos immer betrachten. Zudem sind kleine Leporellos transportabler als ganze Bücher.
Ebenfalls lange im Gebrauch sind Fotoalben mit einer Bindung mit Steg. Dabei wird der Fotokarton gerillt oder mit einem Fälzel an einen Kartonstreifen geklebt. Dieser Kartonstreifen wird nicht mit Inhalt gefüllt, sondern dient ausschließlich der Bindung und wird Steg genannt. Dafür werden Löcher durch die aufeinanderliegenden Stege gebohrt und durch diese das Verbindungsstück geführt. Früher waren das Bänder und Schnüre, heute sind Buchschrauben für diesen Zweck sehr beliebt. Der Vorteil bei Letzteren ist, dass sich die Schrauben leicht wieder öffnen lassen, wodurch sowohl neue Seiten als auch zusätzliche Ausgleiche eingefügt werden können. Allerdings ist das Aufschlagverhalten weniger gut als bei einer Fadenheftung oder einem Leporello.
Im Zirkel der Selberbuchbinder findest du die Anleitung, wie du die verschiedenen Varianten eines Fotoalbums binden kannst – egal ob du ein klassisches Fotoalbum, eine Bindung mit Buchschrauben oder eine ganz andere Variante machen möchtest.
Ich bin buchverliebt seit Kindesbeinen und es fiel mir nicht schwer, mein Leben den Büchern zu widmen.
Ich schreibe selber und binde Bücher, bis jetzt – weiter Buchkünste kommen bestimmt noch hinzu.
Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht allen Buchbegeisterten die Kunst und das Handwerk rund ums Buch zu zeigen und zu lehren.
Ich gebe Workshops und leite den Zirkel der Selberbuchbinder, einen Online-Kurs mit Livetreffen.
| 2018 – 2024 |
Du darfst meine Anleitungen privat für dich nutzen, sie ausdrucken und zu einem Buch binden. Ich freue mich, wenn du anderen Buchbegeisterten von Selberbuchbinden erzählst und die Inhalte teilst. Eine Nutzung oder Vervielfältigung für Workshops oder auf deiner Seite Bedarf meiner Erlaubnis.
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