Ganz anderes Buchbinden: Die japanische Heftung – Ein Buchbinde-Projekt

Heute sehen alle Bücher gleich aus. Gehe in eine Buchhandlung und du findest hauptsächlich Hardcover und Taschenbücher. Nicht nur in Deutschland, sondern überall auf der Welt. Okay, es gibt starke Unterschiede in Gestaltung und Qualität, aber die zu Grunde liegenden Techniken sind die Gleichen: Eine Bindung, meistens eine Klebebindung, kombiniert mit einem Umschlag aus bedrucktem Karton. Oder einer Decke mit festen Pappen für die Deckel.

Wenn du jedoch in die Vergangenheit schaust, wird die Buchbinderei schnell diverser. Wenn du dann noch einen Blick in andere Kulturräume wirfst, wird es faszinierend und sehr unterschiedlich zu dem, wie du es heute gewohnt bist.

Wie du vielleicht schon bemerkt hast, habe ich einen Faible für Japan und damit liegt nichts näher als die traditionellen japanische Heftung auszuprobieren.

Wichtigste Materialien in der japanischen Buchbinderei

  • Japanisches Buntpapier
  • Japan-Papier
  • zum Papier farblich passender Zwirn

Japanisches Buntpapier und Japanpapier sind nicht das Selbe.

Japanische Buntpapiere sind mit feinen, vielschichtigen Siebdrucktechniken bedruckt oder durch Lack und Prägungen verziert. Japan-Papier bezeichnet in Europa die Papiere, die nach traditionellen Herstellungsverfahren gemacht sind und von Künstlern beschrieben oder bemalt werden. Es ist also zu vergleichen mit europäischen Büttenpapier: Es ist handgemacht, es wird für Kunst oder hochwertige Produkte verwendet und es kann – muss aber nicht – bedruckt oder gestaltet sein.

BB 2022 JapanischeHeftung BuchmitKranichen

Zudem verwenden die Japaner ihr Papier auch für Lampen und das Bauen von Häusern.

Für die verschiedenen Verwendungszwecke gibt es die unterschiedlichsten Papiere, wobei die traditionell Handgemachten eine atemberaubende Qualität erreichen. Das Thema Japan-Papier ist ein eigenes Universum und steht der westlichen Papier-Manufaktur in nichts nach.

Washi 和紙 ist Papier japanischer Herstellung und im Vergleich zu mit westlichen Verfahren hergestelltem Papier dünn und leicht. Trotz der geringen Grammatur ist es stabiler. Das ist ein Resultat der Papier-Herstellungsverfahren, die auf der chinesischen Erfindung basieren und sich in weiten Teilen gleichen. Dennoch unterscheiden sich die Rohstoffe und deren Vorbereitung für den Schöpfvorgang: Rindenbast von kouzu 楮 , mitsumata 三椏 oder gampi 雁 in Japan – Leinen, Hanf oder Nesselfasern, die aus Lumpen alter Kleidung gewonnen wurden, in Europa. Im japanischen Verfahren wird das Material mit möglichst geringer mechanischer Belastung verarbeitet, wodurch stabile Fasern gewonnen werden, die dem Papier besonders reißfeste, dichte Eigenschaften verleihen. Zudem wird das Papier gleich während des Herstellungsprozesses geglättet und verschlossen, sodass es sich bedrucken und beschreiben lässt, ohne dass die Tusche in die Fasern eindringt und ausblutet. Dies ist wichtig für die Weiterverarbeitung in der Buchfertigung. Europäisches Papier hingegen war lange ein Produkt aus einem Recycling-Prozess, bei dem die zuvor zu Zwirn gesponnenen Fasern chemisch und mechanisch aufgelöst und schließlich zu Papier geschöpft wurden. Heute wird Holz zermahlen und chemisch auf Zellstoff reduziert, um Papier daraus zu machen. Anschließen ist es nötig, das Papier zu leimen und zu glätten, bevor es bedruckt oder beschreiben werden kann.

Die geringe Opazität des washi stellt eine Schwierigkeit in der Buchherstellung dar, da die Farbe auf der Rückseite des Papiers durchscheint, die Lesbarkeit erschwert und die Ästhetik mindert. Es gibt zwei Methoden, diesem Problem zu begegnen: dickeres Papier herzustellen und zu verwenden oder Papier nur einseitig zu beschriften. Diese Eigenschaften des Papiers beeinflussen die Buchbinderei maßgeblich, wie an den diversen Buchformen zu erkennen ist.

Es gibt eine Vielzahl an Papiersorten in Japan, die für die unterschiedlichsten Verwendungszwecke genutzt wurden. Für Bücher wurden hauptsächlich hanshi 半紙 und minogami 美濃紙 verwendet, die sich anhand von Grammatur, Rohstoff-Zusammensetzung und Oberflächen-Verarbeitung in weitere Unterarten aufteilen. Minogami wird bis heute in der Mino-Region, die zur Präfektur Gifu gehört, hergestellt und gilt als besonders reines, hochwertiges Papier. Hanshi hingegen ist ein weitverbreitetes Papier, dessen Herstellung landesweit in kleinen Bogen erfolgt. Es ist weniger einheitlich und standardisiert in Dicke und Rohstoffzusammensetzung.

In Europa war Papier bis ins 12. Jahrhundert unbekannt. Als Beschreibstoffe und Material für Bücher wurden für Schriftrollen vorwiegend Papyrus und für kodex-förmige Bücher Pergament verwendet. Die Einführung von Papier führte nicht zu einer neuen Buchform. Stattdessen wurden die Techniken für kodex-förmige Bücher variiert und weiterentwickelt.

In der westlichen Buchbinderei wird Japanpapier heute nur bedingt als Inhaltspapier verwendet.  Es ist meistens sehr dünn und von der Oberfläche anders beschaffen, als das was wir gewohnt sind.

Dafür wird das Papier für Reparaturen oder als Hinterklebung eingesetzt; der dünn, aber feste Charakter dieses Papiers macht es ideal für diese Anwendungsbereiche.

Buchbinder und Buchbinderinnen kleiden ihre Bücher gerne in die japanischen Buntpapiere. Es lässt sich nicht nur einfach verarbeiten, sondern macht quasi wie von selbst jedes Buch zu einem Prachtstück.

Da einzige Nachteil liegt beim Preis, der mit ca. 20 € für einen großen Bogen ins Gewicht fällt. Mittlerweile gibt es bei einigen Händlern auch Zuschnitte in kleineren Formaten, die erschwinglicher sind.

Anleitungen für eine japanische Heftung

  • Japanische Heftung: Yotsume Toji (Vier-Loch-Bindung)
    Diese Bindung ist eine klassische japanische Heftung, wobei vier Löcher durch den Buchblock und Deckel gestochen und mit einem Zwirn geheftet werden.
BB 2022 JapanischeHeftung BuchmitEulen 1
Franja empfiehlt: Eins meiner Lieblingsbücher zum Thema Buchbinden ist das englisch sprachige japanese bookbinding von Kōjirō Ikegami. In diesem Werk werden nicht nur die Materialien und Werkzeuge der japanischen Buchbinderei beschrieben und einfache Anleitungen ausgeführt. Es geht mit tiefen Erklärungen auf die historischen Hintergründe ein und liefert auch Beschreibungen, wie du eine Schachteln, Mappen und Schriftrollen in japanischer Tradition herstellen kannst. Die Sprache ist dabei einfach gehalten, sodass es mit wenig Hilfe eines Übersetzungstools, auch für ungeübte Leser in Englisch gelesen und nachgemacht werden kann.



Ein spezieller Buchblock: 袋綴 fukurotoji – Taschenbindung

Die Taschenbindung fukurotoji 袋綴 erhält ihren Namen durch das am Vorderschnitt gefalzte und somit geschlossene Papier, das an der gegenüberliegenden Kante gebunden wird. Dadurch entsteht eine kleine Tasche, die nur oben und unten offen ist.

Für diese Buchform werden Papierbogen einseitig bedruckt und mittig gefalzt, sodass der Druck außen sichtbar ist. Dieses Vorgehen verhindert das Durchscheinen der Schrift auf der Gegenseite. Die Bindung erfolgt zunächst durch ein zur Schnur gedrehtes Papier. Diese innere Bindung soll das Verrutschen der Bogen während der sichtbaren, äußeren Bindung verhindern. Anschließend folgt eine zweite, dekorative Bindung mittels Zwirn, die die Deckel mit dem Buchblock verbindet. Für die genaue Ausführung der äußeren Bindung existieren verschiedene Varianten, die später in dieser Arbeit erläutert werden.

Die fukurotoji-Form wurde im 12. Jahrhundert aus China übernommen und etablierte sich in den folgenden 200 Jahren als meistverbreitete Buchform in Japan. Heute ist diese Bindung weltweit als die „Japanische Bindung" bekannt und wird in verschiedenen Varianten, auch mit westlichen Materialien, ausgeführt.

Weitere Bindungen für diese Zusammenstellung des Buchblocks sind:

康熙綴 Koukitoji – Bindung mit doppelt gebundener Ecke

Bei der koukitoji 康熙綴 variiert nicht nur die Anzahl der Löcher, sondern auch ihre Position. Anders als bei einer yotsumetoji, also der Vier-Loch-Bindung, weicht an der oberen und unteren Ecke je ein zusätzliches Loch von der ursprünglichen Lochreihe ab. Die Position dieses Loches wird bestimmt, indem man die Strecke zwischen Zwirn und Ecke auf der horizontalen und senkrechten Achse halbiert. Am Schnittpunkt dieser Halbierungen wird das zusätzliche Loch gesetzt. Beim Heften führt man den Faden diagonal vom oberen bzw. unteren Loch der 4-Loch-Bindung zum zusätzlichen Loch, spannt ihn um die Ecke und führt ihn zurück zu den Löchern der eigentlichen Bindung. Dies erzeugt ein geometrisches Ziermuster an den Buchecken.

麻の葉綴 Asa-no-ha toji – Bindung im Hanfblatt-Stil

Die asa-no-ha toji 麻の葉綴 ähnelt dem traditionellen Hanfblatt-Muster für Kimono und hat daher ihren Namen. Sie basiert wiederum auf der yotsumetoji beziehungsweise koukitoji, doch es werden weitere an den Rand versetzte Löcher hinzugefügt. Sie liegen mittig auf beiden Achsen zwischen den Löchern der yotsumetoji.

亀甲綴 Kikkou toji – Bindung im Schildpat-Stil

Die kikkou toji 亀甲綴 referenziert mit einer halben, sechseckigen Form auf das klassische Schildpatt-Muster. Als Basis dient wiederum yotsumetoji. In einer rechts von den ersten Löchern abgesetzten Reihe werden jedem Loch zwei weitere hinzugefügt, die links und rechts von ihnen liegen. Der Zwirn wird durch jedes der Löcher geführt und bildet die sechseckige Form mit einer quer verlaufenden Mittellinie ab.

五つ目綴 Itsutsumetoji 5-Loch-Bindung

Wie der Name bereits andeutet, wird die itsutsumetoji 五つ目綴 mit einem Loch mehr ausgeführt und gilt als edlere Variante, da für ihre Herstellung der Arbeitsgang der Bindung erweitert werden muss.

Die Bindung wird auch als Koreanische Bindung bezeichnet, weil die 5-Loch-Bindung in Korea weite Verbreitung gefunden hat, während sie in China gar nicht auftrat. In Japan koexistieren beide Varianten, auch wenn yotsumetoji überwiegen.

Kleines Buch, aber wow!

In dem Buch werden zwar gängige Maße für japanische Bücher angegeben, doch ich suchte mir ein kleines Format aus. Mit 10,5 cm × 10,5 cm entsteht ein niedliches Büchlein.

BB 2022 JapanischeHeftung aufgeschlagen

Bedenke dabei, dass der Bogen bei einem Vorne geschlossenen Papier doppelt so breit sein muss, denn er wird einmal gefalzt. Für den Einband hingegen benötigst du ein Buntpapier mit Einschlägen (zu jeder Seite 1 – 1,5 cm zusätzlich) unabhängig davon, ob du den Einband mit festen Deckel unterlegen möchtest oder, ob das Papier alleine den Einband bildet.

Da die Heftung auf die Vorder- und Rückseite übergreift (mit Steg gebunden ist) verringert sich der beschreibbare Bereich um die Breite des Stegs. Wenn du also einen speziellen Platzbedarf hast, weil du bestimmte Eintragungen machen möchtest oder einen Druck anlegst, muss du diesen Bereich frei lassen.

BB 2022 JapanischeHeftung Japanpapier

Dieses Buchbinde-Projekt hat ein paar Werkstücke hervorgebracht, die ich zukünftig zum Verkauf anbiete. Melde dich für die Buchbinders Briefe an, wenn ich dich anschreiben soll, sobald das Lädchen wieder öffnet.


Moin, ich bin Franja

Ich bin buchverliebt seit Kindesbeinen und da fiel es mir nicht schwer mein Leben den Büchern zu widmen. 

Ich schreibe selber und binde Bücher, bis jetzt – weiter Buchkünste kommen bestimmt noch hinzu.


Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht allen Buchbegeisterten die Kunst und das Handwerk rund ums Buch zu zeigen und zu lehren.

Ich gebe Workshops und leite den Zirkel der Selberbuchbinder, einen Online-Kurs mit Livetreffen.

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3 Kommentare

  • Vielen Dank für den Tipp!
  • Deine jap. Bindungen mit dem farbenfrohen Papier sehen hübsch aus. Welche Zwirnstärke empfiehlst Du denn?
  • Moin Karl,
    ich habe 18-er Leinenzwirn (Bäckergarn) verwendet. Dünneren Zwirn, also normalen Buchbinder-Heftzwirn, würde ich einfach doppelt nehmen.
    Früher, in meiner Ausbildung, haben wir auch Lesezeichenlitze verwendet und immer aufgepasst, dass sie glatt liegt.

    Herzliche Grüße
    Franja

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| 2018 – 2024 | 

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