Vor einiger Zeit habe ich einen Beitrag geschrieben, in dem ich verschiedene Bindungen miteinander verglichen habe - Fadenheftungen vs. Klebebindungen.
Genau so wie die Frage der Bindung ist die Frage des Einbands eine der zentralen Fragen, die du dir vor der Bindung deines Projekt stellen solltest - Halbband vs. Ganzband.
Die Antwort hängt von deinen verfügbaren Materialien, deiner Fingerfertigkeit und Erfahrung sowie deinen Vorlieben ab.
Halbband vs. Ganzband
Ganzbände bezeichnen den Einband, der mit einem einzigen Material überzogen ist. Dafür verwendest du ein ganze Stück von den Einschlägen über die Decke.
Die Art des Materials ist dabei namensgebend, zum Beispiel: Ganzlederband - du kannst aber quasi jedes Material verwenden.
Halbbände sind aus zwei Materialien - klassisch ist dabei ein stabiles Material, wie Leder oder Gewebe, am Rücken, und dekoratives Material, wie Buntpapier, auf den Deckeln.
Dafür verwendest du zwei Materialien aus drei Stücken, einmal dem Rücken und zweimal das Material für die Deckel.
Diese beiden Techniken spiegeln die verschiedenen Umstände in der Entwicklung der Buchbinderei wider. Zunächst wurden Bücher gebunden die beständig der unsicheren Umgebung trotzen und den Reichtum ihrer Besitzer zur Schau stellen sollten. Diese Bücher sind in Leder gefasst und manchmal mit Beschlägen versehen.
Als immer mehr Menschen lesen konnten und es nach immer mehr Nachfrage nach günstigen Büchern gab, wurde der Halbband erfunden. Damit musste nicht mehr das ganze Buch in teureres Leder eingebunden werden; die Deckel wurden einfach mit günstigem Material überzogen. Später wurde das Leder durch Gewebe ersetzt und fertig war das günstige Buch fürs Bürgertum. Bedenke dabei auch, dass die Arbeitszeit des Buchbinders im Zweifelsfall weniger kostete als die Materialien.
Das ging so lange gut, bis der Wohlstand anstieg und findige Buchbinder Maschinen ersannen, die einen Teil ihrer Arbeit übernehmen konnten. Der Ganzgewebeband gewann an Bedeutung, weil es für eine Maschine einfach ist eine Stück Gewebe anzuleimen und Deckel und Rückeneinlagen mit den gebührenden Abständen darauf zu verteilen - schneller als es je ein Handwerker könnte.
Der letzte Schritt dieser Entwicklung ist, dass statt Gewebe heute Papier für den Einband genommen wird. Dieses kann nach belieben bedruckt werden, absurderweise manchmal im Stil eines Halbbandes, und wird mit einer dünnen Folie überzogen, um es beständiger zu machen.
Gestaltung des Einbands
Ein bloßer Ganzband sieht schlicht aus - schließlich hat er im blanken Zustand keine Prägungen, kein Dekor und nichts lässt auf den Inhalt schließen.
Doch gerade diese Leere ist ideal für vielfältige Gestaltungs- und Dekor-Varianten. Mit einem Ganzband lässt sich alles machen: Prägungen, Titelschilder, Vertiefungen, Auflagen oder Intarsien - manchmal wird er sogar mit echten oder versteckten Buchecken gefertigt.
Ein Halbband bedarf in sich bereits den Überlegungen, wie er gestaltet wird. Dabei wirft die Kombination von Rückenmaterial (Gewebe oder Leder) und Buntpapier die größte Frage auf. Zwar siehst du beides nicht zusammen, wenn das Buch im Regal steht, wenn du es vor die liegen hast, allerdings schon. Das Material am Rücken reicht bis über den Falz auf die Deckel. Dieser Übergriff muss bei weitem nicht die Hälfte des Deckels verdecken - üblich sind 2-4 cm über den Falz hinaus. Alleine die Bestimmung dieses Maßes ist eine optische Entscheidung und hängt von der Vorliebe und dem Buchformat ab.
Bei einem Halbband ist Dekor-Technik, die das Buntpapier unterbricht, wie echte Buchecken oder ein Titelschild üblich. Manchmal wird auch der Übergriff gestaltet und Titelprägungen am Rücken dienen dazu, den Inhalt des Buches kenntlich zu machen.
Da viele Dekor-Techniken bei Buntpapier untergehen, sind alle anderen Varianten nicht für den Halbband geeignet.
Warum du weniger Material für einen Halbband brauchst
Der große Vorteil des Halbgewebebands besteht wohl darin, dass er aus mehreren Materialien gefertigt wird. Das macht nicht nur schnell eine Menge her, sondern bietet dir auch die Möglichkeit mit kleineren Nutzen zu arbeiten.
Stell dir vor du möchtest ein Buch in A4 binden. Dafür brauchst du Inhaltspapier in A3 (optimalerweise mit der richtigen Laufrichtung), Deckelpappen die ein Stückchen größer als A4 sind. Bei einem Ganzband ein Überzug, nicht nur um die Buchdicke breiter, sondern auch um die Einschläge an allen vier Seiten größer ist. Je nachdem, welche Quellen für Material du hast, kann es hier schon schwierig werden.
Ein Halbband im gleichen Format kommt mit einem Rücken-Material in der Höhe plus Einschlag aus und zwei Blättern Buntpapier in A3. Theoretisch allerdings in der anderen Laufrichtung.
Dazu kommt, dass Papier am Falz schnell reißen kann und Pappbände (so heißen Ganzpapierbände verkürzt) recht empfindlich sind. Mit Gewebe oder Leder sind Bücher viel stabiler und dein Buntpapier kommt trotzdem zur Geltung.
Unterschiede in der Herstellung
Beide Einbandarten unterscheiden sich in der Zeit und Fingerfertigkeit, die du für ihre Herstellung brauchst.
Beim Ganzband ist der große Nutzen die Herausforderung. Je nach Material kannst du beim Anleimen auf die Schwierigkeit stoßen, dass sich das Papier oder Gewebe aufrollt - es schneckelt sich. Die Kunst ist es mit einer Hand fest- und runter zu halten und mit der anderen mit dem Pinsel oder der Rolle den Leim zu verteilen. Die gleichmäßige Verteilen vom Klebstoff ist, wenn du nicht schon einige Übung hast, ebenfalls schwierig. Je größer der Nutzen, desto mehr Zeit brauchst du zum Anleimen. Meiner Erfahrung nach tendieren Anfänger zu wenig Leim zu nehmen, sodass er an der zuerst beleimten Fläche weggetrocknet ist, wenn du mit dem Nutzen fertig bist.
Wenn du dieses Problem allerdings schon im Griff hast, dürfte auch das Anleimen eines großen Nutzens für einen Ganzband, dich nicht mehr vor Herausforderungen stellen.
Beim Halbband sind die Nutzen hingegen kleiner. Du klebst immer erst das Material für den Rücken auf. Der Trick dabei ist, dass du dir Zeit lassen kannst. Du kannst vor dem Anleimen auf dem Rückenmaterial die Mitte markieren, um es gut aufkleben zu können. Du kannst Übergriffbreite anzeichnen, bevor du das Papier aufklebst.
Dann erst leimst du die einzelnen Stücke an und klebst eins nach dem anderen auf.
Wenn du dich nicht vermisst und an deine Markierungen hältst, kann eigentlich nichts schief gehen.
Deswegen ist der Halbgewebeband mit Fadenheftung seit je her mein bevorzugtest Projekt für 1-Tages-Workshops. Und weil die Teilnehmer sich ihr Büchlein in den Lieblingsfarben zusammenstellen können.
Noch ein Exkurs:
Ich hab dir in meiner Anleitung zum Binden eines Buches gezeigt, wie du deine Decke zusammenhängst. Falzbreite und Position der Rückeneinlage stehen damit bereits fest. Im Zirkel der Selberbuchbinder lehre ich diese Technik ebenfalls.
Nun gibt es bei Buchdecken noch eine technische Variante; dabei werden die Rückeneinlage und die Deckelpappen der Reihe nach auf den angeleimten Nutzen gelegt und mit Abstandshaltern die Falzbreite bestimmt. Ausgelegt ist diese Technik für Ganzbände, auch wenn sie selten und mit größerem Aufwand mit Halbbänden durchgeführt wird.
Diese Variante kommt bei der industriellen Fertigung und bei der Serienfertigung im Handwerk zum Einsatz. Die Zeitersparnis ist immens, spart man sich den ganzen Arbeitsschritt des Zusammenhängens, sowie die Materialkosten des Zusammenhängpapiers.
Es gibt weitere grundlegend andere Techniken, wie angehängte Deckel. Dabei werden die Deckel erst am Buchblock befestigt und dann bezogen. Dieses Thema ist allerdings ein eigenen Artikel wert - später vielleicht.
Fazit
Der größte Faktor, ob du einen Ganz- oder Halbband machst, ist, wie beim Fadenheftung vs. Klebebindung, die Beschaffenheit deines Materials. Du kannst mit einem Stück Gewebe oder Papier, das zu klein ist schlicht keinen Ganzband machen.
Wenn du dort keine Einschränkungen hast, fühle dich frei, nach deiner Vorliebe zu wählen, wie dein Buch von Außen aussehen soll. Vielleicht machst du dir Gedanken, welche Optik am besten zum Inneren des Buches passt.
Wenn es um die Herstellung des Einbands geht, zählt deine Übung und Erfahrung. Wenn dir eine neue Technik gelingt, ist es wunderbar. Wenn nicht, kannst du daraus etwas lernen. Du weißt beim nächsten Mal mehr wie das Material sich verhalten könnte, wo du ein Maß unsauber gemessen hast, oder wo eine Markierung nicht ausreichend war, sodass du verrutscht bist.
Wo auch immer du gerade stehst, nimm Falzbein und Pinsel in die Hand und probiere aus, was dich neugierig macht.
Was denkst du?